Ein Skandal mit Nachspiel – und ein bitteres Kapitel für den Handball
Aus, Aus, Aus – das Skandalspiel ist Aus! Manche Spiele schreiben keine Heldengeschichten – sondern Lehrstücke. Das Wiederholungsspiel zwischen TUSEM Essen und dem Dessau-Roßlauer HV vom 29. Juni 2025 wird als ein solches in Erinnerung bleiben: juristisch sauber entschieden, sportlich umstritten, menschlich tragisch.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Rückblick: Im ursprünglichen Spiel am 27. April hatte Dessau die Partie mit sieben Feldspielern beendet – ein klarer Regelverstoß nach einer Zeitstrafe. TUSEM Essen legte Protest ein. Zunächst abgewiesen, dann vom DHB-Bundesgericht bestätigt: Spielwiederholung. Kein Fehler der Schiedsrichter, sondern der Offiziellen am Tisch. Ein seltenes, aber konsequentes Urteil – ein Präzedenzfall.
Zwischen Feierabend und Pflichtspiel
Doch die Umsetzung? Ein einziges Dilemma: Mitten in der Sommerpause, während andere Teams längst auf Mallorca feierten, mussten Essen und Dessau plötzlich zurück in den Leistungssportmodus. Die HBL bestand auf einem Termin vor dem 30. Juni – und brachte Spieler, Vereine und Staffs in eine absurde Lage. Für viele stand fest: Wer jetzt verliert, verliert mehr als nur ein Spiel.
Alle verlieren – auch wenn einer gewinnt
„Irgendwie gibt es nur Verlierer.“
So lässt sich die Ausgangslage zusammenfassen. Spieler, die sich längst in der Regeneration befanden – nach einer der härtesten Zweitliga-Saisons der letzten Jahre – mussten kurzfristig zurück auf die Platte. Medizinische Stimmen warnten vor erhöhtem Verletzungsrisiko, doch das schien zweitrangig.
Medizinisches Risiko & fehlende Vorbereitung
Die Aussage aus Liga-Kreisen, „wer in den Urlaub fährt, ist selbst schuld“, sorgte nicht für Harmonie – im Gegenteil: Sie hat die Gräben zwischen HBL, Spielern und Vereinen eher vertieft.
TUSEM konnte erst drei Tage vor dem Spiel mit acht Mann trainieren, neun Stammspieler fehlten. Eine Vorbereitung auf ein Spiel mit solcher Brisanz sieht anders aus.
Vertragslage & Kaderprobleme
Dieses Spiel hatte Folgen weit über den Court hinaus:
- Vertragsfragen – viele Spieler besitzen nur Zweitliga-Verträge.
- Spielplanprobleme – auch für die 3. Liga und ihre Einteilung.
- Verletzungsgefahr – bei Spielern ohne Rhythmus.
Zwei U21-Nationalspieler im Fokus
Die einzigen, die in vollem Wettkampfmodus aufliefen: Felix Göttler (Essen, 7 Tore) und Fritz-Leon Haake (Dessau). Beide wurden vom DHB freigestellt und reisten nach dem U21-WM-Spiel gegen Norwegen ab. Kaum auszudenken, wenn das DHB-Team gegen Schweden gewonnen hätte und an jenem Sonntag im WM-Finale gestanden hätte. Hätte, hätte – Fahrradkette!
Noch absurder: Hätte Dessau verloren und wäre abgestiegen, wäre Haake heute vereinslos – sein Vertrag gilt nur für die 2. Liga.
Trainerwechsel, Transfers, Jetlag – ein Theater der Extreme
Dessaus Torwart Ambrosius kam am Sonntag direkt von den Malediven. Trainer Uwe Jungandreas war eigentlich schon verabschiedet. Vincent Bülow, mittlerweile bei den Eulen Ludwigshafen, spielte trotzdem. Zum Glück verletzungsfrei. Für alle Beteiligten ein emotionaler Drahtseilakt.
Der sportliche Kontext – und die Lehren
Die Saison 2024/25 war hochspannend, eng, intensiv. Viele Teams kämpften bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt. Dieses Nachholspiel war der nervliche Showdown einer ohnehin extremen Spielzeit.
Juristisch wurde korrekt gehandelt – aber menschlich und sportlich? Fragwürdig. Besonders in dieser Liga – einer der besten der Welt.
Fazit: Der Handball hat nicht gewonnen
So sehr man gerechte Verfahren befürworten muss – das „Wie“ zählt genauso. Der Handball lebt von Leidenschaft, Fairness und Respekt. Dieses Spiel hat davon vieles vermissen lassen – nicht wegen der Spieler, sondern wegen der Umstände.
Was der Handball jetzt braucht
Was bleibt, ist ein Mahnmal für künftige Entscheidungen: Der Handball darf nie wieder so zwischen Bürokratie, Zeitdruck und Sommerpause zerrieben werden.
Autorenbox
Andreas Klement ist Leadership-Experte, Speaker, Buchautor und Sportkommentator.
Als ehemaliger Leistungssportler und heutiger Coach begleitet er Menschen und Unternehmen auf dem Weg durch Wandel und Transformation – mit Haltung, Klarheit und Humor.
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