Adidas – „Ein Riese in der Krise.“

In dem Film „Das Wunder von Bern“ wird die Geschichte der Deutschen Fußballnationalmannschaft bei der WM 1954 erzählt. Ganz nebenbei zeigt er aber auch viele persönliche Geschichten. Unter anderem auch die Geschichte des Zeugwartes der Mannschaft. Jener war bei der Weltmeisterschaft 1954 Adolf („Adi“) Dassler. Und der hatte etwas ganz Besonderes im Gepäck: Fußballschuhe mit Schraubstollen. So etwas hatte es im Fußball noch nicht gegeben – eine Revolution. Die anderen Mannschaften verließen sich auf Schuhe mit kleinen und fest integrierten Noppen und gewannen so ihre Standsicherheit auf dem Fußballfeld. Dasslers Idee war allerdings eine andere. Er konstruierte einen Schuh für die deutsche Elf und konnte je nach Witterung die passenden Metallstollen unter die Sohle schrauben.

Der Aufstieg

Der erste und unerwartete Weltmeistertitel – er erfüllte das ganze Land mit Stolz. Der Historiker Joachim Fest bezeichnete den 04. Juli 1954 sogar als das eigentliche Gründungsdatum der Bundesrepublik Deutschland. Für viele war der Sieg bei der WM 1954 in Bern die Wiedergeburt Deutschlands. Vor allem aber war er die Geburt eines deutschen Weltkonzerns: Adidas

Deutsche Ingenieurstechnik siegt gegen Spieltechnik. Bern war eine Sternstunde in der Geschichte von Adidas. Dieses Ereignis ließ das Unternehmen aus Herzogenaurach zu einem Weltkonzern aufsteigen. Heute arbeiten bei Adidas über 59.000 Menschen und mit einem Umsatz von 23 Mrd. gehören sie zu den Global Playern. Adidas ist nach Nike der zweitgrößte Sportartikelhersteller, rangiert in den TOP 10 der wertvollsten Marken in Deutschland und ist nach wie vor ein Lieblingskind der Deutschen.

Die Krise

Bis zum 26. März 2020. Der Bundestag hat in einem bisher nicht vorstellbaren Tempo ein historisches Milliarden-Hilfspaket für Bürger und Unternehmen beschlossen. Der Corona-Kündigungsschutz für Mieter ist eigentlich für den Notfall gedacht.

Die Bundesregierung ist bemüht in der Krise ein solidarisches und faires Handeln in die Köpfe Deutschlands zu pflanzen, da es ein Überlebensfaktor ist – medizinisch wie wirtschaftlich. Alle müssen aktuell Einschränkungen und Einbußen hinnehmen. Und hier kommt wieder Adidas ins Spiel.

Adidas beschließt die Mietzahlungen einzustellen. Das Unternehmen aus Herzogenaurach plant vorsorglich die Mietzahlungen der Filialen auszusetzen. Und obwohl Adidas nicht das einzige Unternehmen ist, das sich mit diesen Gedanken trägt, gerät niemand so sehr in die Kritik der Öffentlichkeit wie Adidas. Der Shitstorm ist gewaltig. Die Reaktionen sind drastisch.

In den Adidas Filialen dreht sich alles um Sport.

Der SPD-Bundestagsabgeordneter Florian Post verbrennt ein Adidas-Shirt und dreht einen Film. Damit protestiert er gegen den geplanten Mietstopp des Unternehmens. (Quelle: Youtube https://www.youtube.com/watch?v=Yh6d-sSc32g&t=51s)

Die Stimmen werden immer lauter und auch prominenter. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer spricht von einer großen Enttäuschung. Arbeitsminister Hubertus Heil teilt diese Auffassung und sieht das Verhalten von Adidas als unverantwortlich und – verständlich an. SPD-Politikerin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments Katarina Barley twittert ein Bild mit Adidas-Schuhen und dem klaren Statement „Das hier waren übrigens die letzten Adidas, die wir gekauft haben.“.

Obwohl einigen das Video zu drastisch erscheint, finden viele, dass die Corona-Gesetze nicht für Unternehmen wie Adidas gemacht sind. In der Bevölkerung kommen die Mietstopps von Adidas, H&M, Deichmann und Co daher auch nicht gut an.

Das Kommunikations-Desaster

Im Jahr 2018 bekamen der Vorstandsvorsitzende der Adidas AG, Kasper Rorsted und Jan Runau, Leiter der Unternehmenskommunikation, den „Deutschen Image Award“ verliehen. Beide Manager sollen sich durch ihre ungewöhnlich professionelle Arbeit eine herausragende Reputation in der Öffentlichkeit erworben haben. Rorsted gilt als überaus glaubwürdig und verantwortungsbewusst. Journalisten bescheinigen ihm, empathisch, ruhig, kontrolliert aber auch strategisch denkend und zupackend zu sein. Der CEO von Adidas genießt höchstes Ansehen in Wirtschaft und Gesellschaft.  Für diese Positionierung von Rorsted und Adidas ist Kommunikationschef Jan Runau verantwortlich.

Die Kommunikation zum Thema Mietstopp scheint hingegen „gehörig in die Hose gegangen“ zu sein.

Früher wurde immer gesagt „Der Kunde ist König“. Heute wissen wir, er IST König. In Zeiten von Social Media verbreiten sich positive und negative Nachrichten rasend schnell. Wer seine Kunden zu Markenbotschaftern und Fans aufsteigen lässt, der muss auch mit der Meinung derer leben können. Twitter-User zeigen sich empört über die Entscheidung von Adidas. Sofort wird zum Boykott aufgerufen und ein neuer Hashtag ist schneller geboren, als Adidas „Drei Streifen“ sagen kann. #niewiederadidas.

Wenn man sich bewusst mal aus dem Thema heraushält, dann muss man sagen, dass es aus Blickwinkel der Krisenkommunikation gute und schlechte Nachrichten gibt.

Das Gute ist, dass selbst Krisenthemen in der heutigen Medienlandschaft kurzlebiger geworden sind. Was so viel heißt wie: „Et hätt noch emmer joot jejange!

Das Schlechte allerdings ist, dass die Auswirkungen heftiger werden. Oder um in dem Rheinischen Grundgesetz treu zu bleiben: „Et es wie et es.“, was so viel heißt wie; „Sieh den Tatsachen ins Auge, du kannst es eh nicht mehr ändern.“

Und spätestens mit Social Media als „Krisen-Turbo“ heißt es nur noch „Et kütt wie et kütt.“ Ein krisenbehaftetes Thema erreicht mitunter einen dramatisch hohen Stellenwert. Und da Aussitzen als Strategie selten hilfreich ist, reagiert Adidas sofort und versucht die Wogen etwas zu glätten. Ist bemüht um Aufklärung. Man versucht, Verstehen zu geben, dass Adidas sehr wohl von der Corona-Krise bedroht sei und nahezu der Vertrieb von jetzt auf gleich eingestellt ist. Immerhin hat Adidas noch den Onlinehandel, aber 60 Prozent des Gesamtumsatzes kommt aus den Filialen. Wie viele andere Unternehmen meldet auch der fränkische Sportartikelhersteller Kurzarbeit an. Alle Sparmaßnahmen sollen „temporär“ und „vorsorglich“ sein.  Und Adidas erklärt auch noch, dass die Mietzahlungen an private Vermieter weitergezahlt würden; es ginge nur um Stundungen und die Mietzahlungen flößen zu einem späteren Zeitpunkt. Aber seien wir ehrlich – diese Worte hört man zwar, aber die sie verfehlen ihre Wirkung! Die negative Meinung hat sich bereits in den Köpfen verankert. Die öffentliche Kritik aber nimmt nicht ab. Die Presse redet nur noch von Imageschaden und selbst bei Adidas müssen wohl die Köpfe rauchen. Obwohl der Aktienkurs nach Bekanntgabe des Mietstopp am 26. März 2020 mit 214,95 EUR/je Aktie Aufwind erfährt, so ist der Kurs, nach der öffentlichen Kritik, auf Talfahrt. Am Abend schließt die Aktien mit 197,80 EUR/je Aktien.

„Es braucht schon etwas Magie, um aus der Krise ohne Imageschaden zu kommen.“

In der klassischen Abfolge der Krisenkommunikation spricht man häufig von den drei großen „E

  • Entschuldigung
  • Erläuterung
  • Erkenntnisgewinn

In der Krise zu kommunizieren bedeutet vor allem gute, verständliche und eingängige Botschaften zu vermitteln. Da Adidas als betroffenes Unternehmen mit dem Rücken an der Wand steht, geht es darum, möglichst schnell wieder „die Schuhe zu schnüren“ und „auf das Feld zu laufen“; will heißen, möglichst rasch das Heft des Handelns in der Hand zu halten. Jeder kommunikative Fehler, der jetzt passiert, kann den „Karren“ nur noch tiefer in den Graben ziehen. Transparenz ist oberstes Gebot. Ebenso die Dinge nicht schön zu reden oder zu verschleiern.

Die Wiedergutmachung

Adidas rudert zurück. Nach der immer größer werdenden öffentlichen Kritik verkündet das Unternehmen, dass man die Mietzahlungen nicht stoppt und alle Vermieter ihr Geld erhalten. In einem offenen Brief teilt man mit: „Wir haben einen Fehler gemacht und damit viel Vertrauen verspielt. Es wird dauern, Ihr Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Aber wir werden alles dafür tun.“ Der Sportartikel-Konzern erklärte weiter: „Deshalb möchten wir uns bei Ihnen in aller Form entschuldigen. Fairness und Teamgeist sind seit jeher eng mit Adidas verknüpft und sollen es auch bleiben.“

So steht es auch auf der Internetseite:

UNSERE MISSION IST KLAR: WIR WOLLEN DIE BESTE SPORTARTIKELMARKE DER WELT SEIN. HIERZU GEHÖRT, DASS UNSERE MARKE FÜR FAIR PLAY UND INTEGRITÄT STEHEN MUSS.

Sowohl im Sport als auch bei der Arbeit beruht Erfolg auf Zusammenarbeit. Jeder muss sich auf Fair Play und die Integrität seiner Partner vertrauen können. Dies erfordert, dass sich alle an gemeinsame Regeln halten und ihre Entscheidungen so treffen, dass die Regeln eingehalten werden.

 

Und während ich diesen Artikel schreibe fällt mir auf, dass ich selbst Hose, Socken, T-Shirt und Jacke von Adidas trage. Adidas wird weiter existieren und es bleibt abzuwarten, wie groß der Imageschaden sein wird bis Gras über die „Drei-Streifen“ gewachsen ist.

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